Das Quedlinburger Feldwartensystem
Die Angst überfallen zu werden, war im Mittelalter allgegenwärtig.
Das mittelalterliche Verteidigungssystem in Quedlinburg war das Warten- und Landgrabensystem. Errichtet wurden die Warttürme, lokal Feldwarten genannt, vermutlich ab der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts an der Gemarkungsgrenze als Frühwarnsystem.
Damit die Turmwächter die Feldflur, wichtige Straßen und Wege beobachten konnten, mussten die Warten nach einem ausgeklügelten Plan angelegt sein. Hügel, Bergkuppen und andere Hindernisse durften den Blick nicht versperren und es musste ein möglichst freies Sichtfeld zur Stadt und den übrigen Warten gegeben sein. Diese Voraussetzungen waren nicht überall zu erfüllen. Im nördlichen Teil des Stiftsgebietes versperrte die Hamwartenhöhe die Sicht. Mit der Hamwarte wurde eine Zwischenstation geschaffen, damit der dortige Wächter die Signale weiter leiten konnte.
Die Warten waren umgeben von einem befestigten Hof. Dieser diente den Hirten und Bauern der Umgebung als Fluchtburg vor Angreifern und Räubern.
Von den ursprünglich 11 Feldwarten sind heute noch 5 Türme, 1 Ruine und 2 Ruinenhügel erhalten. Der Erhaltungsgrad, der unter Denkmalschutz stehenden, noch vorhandenen Warten und die Nachvollziehbarkeit des gesamten Systems aus Türmen und Landwehrgräben sind für diese Gegend einmalig.
Diese Standorte der wehrhaften Vergangenheit Quedlinburgs werden heute als Aussichtspunkte genutzt.
2005 wurde der Wartenverein Quedlinburg e.V. gegründet und kümmert sich seitdem und die Feldwarten.
Die Steinholzwarte liegt nordwestlich der Stadt auf einem Bergvorsprung des Steinholzes.
Erbaut wurde die Warte zur Bewachung der Quedlinburger Feldflur, der Flur Richtung Blankenburg mit der Burg Regenstein und der Halberstedter Mulde. Auch konnte von der Warte aus der Heerweg von Halberstadt über das Steinholz westlich der Warte zum Langensteiner Weg und weiter nach Quedlinburg beobachtet werden. Ebenso bot sie den Arbeitern, des weit von der Stadt entfernten Steinbruchs, Schutz.
Sie war eine der Warten, die über keine direkte Sichtverbindung zur Stadt Quedlinburg verfügten.
Der Hof der Warte war stark befestigt, Reste der Umfassungsmauern waren noch 1928 zu finden. Die Steinholzwarte ist von allen Feldwarten am längsten, bis in die Mitte des 16. Jahrhunderts genutzt worden, da der Turmwächter gleichzeitig auch Forstaufseher im Steinholz war.
Die quadratische Warte, deren Einstieg sich in etwa 6 Metern Höhe befand, wurde ab April 1900 als Aussichtsturm genutzt. 1992 erfolgte eine gründliche Reparatur.
Die Hamwarte befand sich auf der Hamwartenhöhe nordwestlich der Stadt.
Die Warte bildete den Zentralpunkt des gesamten Quedlinburger Feldwartensystems. Sie diente sowohl der Überwachung des Weges nach Halberstadt als auch der Weiterleitung der Signale von Warten, die keine direkte Sichtverbindung zur Türmerstube auf den Türmen der Marktkirche besaßen (Steinholzwarte, Heidbergwarte).
Noch während des Dreißigjährigen Krieges war die Warte zur Überwachung der Feldflur gegen umherstreifende und plündernde Truppen besetzt und genutzt.
Im Jahr 1637 kam es an der Hamwarte sogar zu einem Scharmützel mit schwedischen Truppen, bei dem der Quedlinburger Rittmeister Fleischmann getötet wurde.
1791 wurde die Warte wegen angeblicher Baufälligkeit abgetragen.
Auf einer alten Stadtansicht aus dem 16. Jahrhundert wird die Warte als runder Turm mit kegelförmigem Dach, schmalen Fensteröffnungen und einem hoch gelegenen Einstieg dargestellt. Reste der Warte sollen noch in den 1930er Jahren sichtbar gewesen sein.
Die genaue Lage und der Bautyp sind nicht mehr bekannt. Ebenso ist nicht bekannt, wann die aus wenigen Eintragungen in die städtischen Quedlinburger Ratsrechnungen bekannte Warte abgetragen wurde. Vermutlich war sie aber die erste der Quedlinburger Feldwarten, die im 16. Jahrhundert verschwunden ist.
Der Name soll von „lého“ stammen, was so viel wie „Grabhügel“ bedeutet. Der Standort fiel dem Sandabbau am Lehofsberg zum Opfer.
Die Seweckenwarte steht südöstlich der Stadt auf dem höchsten Punkt der Seweckenberge.
Der Eingang der annähernd quadratischen Warte aus kleinformatigen Kalksteinen war eine nur ca. 1 Meter hohe Öffnung in der Mauer und lag dicht über der Erde. Auf Grund verschiedener Reparaturarbeiten der vergangenen Jahrzehnte ist dieser Einstieg jedoch nicht mehr erkennbar.
Es wird angenommen, dass die Warte über einen Fachwerkaufbau verfügte.
Erbaut wurde die Seweckenwarte vermutlich erst nach dem Sieg der Quedlinburger über die Regensteiner in der Auseinandersetzung von 1336. Sie diente der Überwachung der östlichen Quedlinburger Feldflur und vermutlich auch der Aktivitäten der Regensteiner in der Gersdorfer Burg. Vor allem diente die Warte aber dem Schutz der nahegelegenen Kalksteinbrüche und deren Arbeiter.
Es bestand eine direkte Sichtverbindung zur Türmerstube auf dem Südturm der Marktkirche und zur Westdorfer Warte der zeitweise verbündeten Stadt Aschersleben.
1992/93 erfolgten eine Sanierung der stark verwitterten Warte und der Ausbau zu einem Aussichtsturm.
Benannt nach dem ehemaligen Dorf Bicklingen, das in unmittelbarer Nähe westlich der Warte lag, sicherte die Warte nicht nur den nordöstlichen Teil der Feldflur der Stadt Quedlinburg sondern auch den Übergang über den etwas weiter westlich verlaufenden Bicklingsbach. Auch die nahen Wege, wie die Straße nach Ballenstedt, wurden hier überwacht.
Der Turmwächter hatte von hier aus einen freien Blick weit in die Riedersche Flur und nach Anhalt hinein.
Genutzt wurde der Rundturm aus Sandstein- und Kalksteinquadern bis Mitte des 16. Jahrhunderts.
Die ursprüngliche Einstiegshöhe befand sich in 7 Metern Höhe auf der Stadt Quedlinburg und dem Dorf Bicklingen zugewandten Seite.
Im Inneren sind Balkenlöcher und Kragsteine Zeugen früherer Einbauten.
Im 19. Jahrhundert kam es zu wiederholtem Steinraub an der Warte, der jedoch umgehend repariert wurde.
1992/93 erfolgten eine Sanierung der stark verwitterten Warte und der Ausbau zu einem Aussichtsturm.
Die Aholzwarte ist heute nur noch als Ruinenhügel im Gelände sichtbar.
Von der Aholzwarte aus konnte die, in Regensteiner Besitz befindliche, Lauenburg bei Stecklenberg beobachtet werden. Ebenso konnte von hier der rund 1,2 km südlich, am Fuß des Münchebergs bei Bad Suderode, vorbei führenden Hesswegs und die Bodenniederung Richtung Neinstedt überblickt werden. Damit konnten besonders eventuelle Truppenbewegungen der Regensteiner Grafen rechtzeitig bemerkt und an den Türmer der Marktkirche gemeldet werden. Dieser alarmierte im Notfall die Stadt.
Zusammen mit einem System vorgelagerter Gräben stellte sie somit einen starken Schutz dieser besonders gefährdeten Stelle dar.
Da die Aholzwarte eine derart große Bedeutung für den Schutz der Südwestgrenze hatte, war sie bis 1477 ständig von mindestens 2 Turmwächtern besetzt. Auch noch im 16. Jahrhundert wurde die Warte in unruhigen Zeiten mit Wächtern besetzt.
Im 19. Jahrhundert jedoch fing man an die Warte abzutragen. Die Steine wurden zum Bau einiger kleiner Brücken in der Nähe genutzt.
Seit 2018 steht auf dem Ruinenhügel ein hölzerner Aussichtspunkt, der vom Harzklub-Zweigverein Stecklenberg errichtet wurde.
Die Altenburgwarte liegt südwestlich der Stadt im Bereich einer befestigten Höhensiedlung aus der Jungsteinzeit.
Die Warte auf der Altenburg diente dem Schutz der viel umstrittenen Grenze zur Grafschaft Regenstein.
Bis zur Mitte des 16. Jahrhunderts war sie mit einem Turmwächter bewohnt.
Die Warte wurde 1889 vom Harzklub-Zweigverein Quedlinburg instandgesetzt, mit einer inneren Wendeltreppe versehen und es gab einen Mauerdurchbruch auf Bodenniveau um einen einfachen Einstieg zu gewährleisten. Der ursprüngliche Eingang befand sich in ca. 7 Metern Höhe auf der Stadt zugewandten Seite. Ebenso wurde auch die obere Plattform mit einem Eisengitter gesichert. Seitdem ist die Altenburgwarte ein beliebter Aussichtspunkt.
Allerdings ist mit dem damaligen Umbau die ursprüngliche Form der Altenburgwarte weitgehend zerstört worden.
1992 erfolgte eine notwendige, gründliche Reparatur des fünfeckigen Turms aus Sandsteinquadern, der gegenwärtig eine Höhe von 10 Metern hat.
Die Sültenwarte befand sich an der Straße nach Hoym, von Quedlinburg kommend, kurz hinter Morgenrot. Sie stand damit in unmittelbarer Nähe des Schnittpunktes wichtiger mittelalterlicher Straßen, den Heerstraßen von Quedlinburg nach Hoym und von Ballenstedt nach Ditfurt.
Im Jahre 1564 tauchte sie das letzte Mal in den Unterlagen der Stadt auf. Es ist heute nicht mehr bekannt ob die Warte dann abgetragen wurde oder welche Form sie hatte. Reste der Warte sollen aber bis Mitte des 19. Jahrhunderts sichtbar gewesen sein und Spuren der Ummauerung noch deutlich länger.
Der Lethturm ist der höchste aller Quedlinburger Warttürme und befindet sich an der Gernröder Chaussee nur wenige hundert Meter vor Gernrode.
Es handelt sich um einen runden, aus Sandstein gemauerten Turm von etwa 5 m Breite und 18 m Höhe auf der Straßenseite. Er besaß große strategische Bedeutung als Flankensicherung der Landwehr, deren südöstlichen Eckpunkt er bildete.
Der Einstieg befand sich ursprünglich in rund 8 m Höhe in Richtung Quedlinburg.
Die Lehtwarte besitzt in ca. 14 m Höhe eine gemauerte und gegossene Kuppel mit einem kleinen seitlichen Durchgang.
Vermutlich ist er auch eine der zwei Warten, die in Verbindung mit den Streitigkeiten der Stadt und dem Regensteiner Grafen im Jahr 1336 genannt wird. Es handelte sich vermutlich um die Türmer der Aholzwarte und des Lethturm oder der Bicklingswarte, die sich von den Regensteiner Truppen haben überlisten lassen.
Während des 2. Weltkrieges befand sich ein Beobachtungs- und Signalposten des nahen Fliegerhorstes Quarmbeck auf dem Turm.
Seit 2005 kümmert sich der Wartenverein Quedlinburg e.V. um den Erhalt des Turms. Seitdem erfolgten umfangreiche Sanierungsarbeiten.
Die Heidbergwarte lag auf der Höhe des Heidberges und ist heute nur noch als schwache Erhebung im Gelände zu erkennen. Sie lag am weitesten von der Stadt entfernt an der nordöstlichen Grenze der Feldflur. Die Warte bot einen weiten Blick in die Halberstädter Mulde bis zum Huy und zum Hakel. Der Türmer konnte somit wichtige Straßen, wie den Heerweg von Leipzig nach Braunschweig überwachen. Unmittelbar an der Warte entlang führte ebenso die Heerstraße über Wegeleben und Gröningen nach Magdeburg. In etwa 3 km Entfernung verlief die Straße von Halberstadt über das Steinholz nach Quedlinburg
Der massive Unterbau aus Sandstein hatte einen quadratischen Grundriss und überstand wohl einen Brand Mitte des 15. Jahrhunderts. Auf Grund der wichtigen Funktion der Warte wurde sie sehr rasch wieder aufgebaut und mit einem neuen Fachwerkgeschoss versehen.
Der Turmstumpf war noch bis ins 20. Jahrhundert hinein gut erhalten, wurde aber zwischen 1975 und 1979 illegal abgetragen. Vermutlich wurden aus den Sandsteinquadern Keller für private Einfamilienhäuser gebaut.
Die Ihlenstedter oder auch Gaterslebener Warte liegt an der Gaterslebener Chaussee rund 5,5 km ostnordöstlich der Stadt. Sie gehörte im Mittelalter zu einer der wichtigsten des Wartensystems, da sie ebenso wie die Heidbergwarte einen Teil des Heerweges überwachte, der in unmittelbarer Nähe der Warte die Straße von Quedlinburg nach Gatersleben kreuzte.
Vom ehemaligen Rundturm steht bereits seit Anfang des 19. Jahrhunderts nur noch die östliche Hälfte. Ein Bauer aus Badeborn brach um 1820 auf der Westseite der Warte Steine heraus für einen Scheunenneubau. Daraufhin stürzte die westliche Turmhälfte ein.
Die Ruine ist heute der letzte Zeuge des östlichen Teils des Quedlinburger Wartensystems.