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Risskante

Jubilus aus Quedlinburg über Heinrich I.

Mit Köpfchen zum starken König

Anfang des 10. Jahrhunderts wurden viele Konflikte mit Waffengewalt gelöst. Macht hatte der Stärkere und Stärke zeigte man, indem man Kriege gewann. Heinrich verfolgte jedoch ein anderes Konzept. Getreu nach dem Motto „Der Klügere gibt nach“ gelang es ihm, durch Kommunikation so mancher Auseinandersetzung aus dem Weg zu gehen. Dazu muss man wissen, dass es Heinrich als König zu Beginn seiner Amtszeit nicht gerade leicht hatte. Ihm wurde ein schwaches Reich überlassen, in dem die einzelnen Herzöge alle ihr eigenes Süppchen kochten. Sein Ansehen als König war ebenso gering wie das Zusammengehörigkeitsgefühl im Reich. Auf welch wackeligen Beinen seine Herrschaft wirklich stand, zeigt auch der Umstand, dass ihn nur die Herzogtümer Sachsen und Franken als König anerkannt hatten. Bayern und Schwaben hingegen verweigerten ihren Zuspruch. Was war also zu tun? Sei reizend zu deinen Feinden und mache sie zu deinem Freund! Heinrich zeigte hier sein ganzes Können als Chefdiplomat: Er verhandelte geschickt, besetzte Ämter schlau und strategisch, schloss kluge Bündnisse und gewährte den Herzögen in ihrem Handeln weitgehende Autonomie. Und siehe da – langfristig war das genau der richtige Weg. Seine Herrschaft stabilisierte sich und das Reich wuchs mehr und mehr zusammen. Heinrich schaffte damit die Voraussetzungen, dass sich später ein Deutsches Reich des Mittelalters entwickeln konnte. Und die Moral von der Geschicht'? Ohne Kompromisse geht es nicht..

 

Bis dass der Tod euch scheidet...oder doch schon früher?

Also ich will es mal so sagen: Dieser Heinrich I. war ein ausgekochtes Schlitzohr. Vielleicht macht gerade das ihn so sympathisch? Seine erste Frau, die Hatheburg aus Merseburg, muss eine gute Partie gewesen sein, denn Heinrich wollte sie unbedingt heiraten, obwohl sie eigentlich als Witwe im Kloster lebte. Wir wissen alle – Kloster und Heiraten – das ist laut Hausordnung nicht gestattet. Heinrich widersetzte sich aber dieser Regel. Und so schenkte ihm seine entzückende Frau nicht nur seinen ersten Sohn Thankmar, sondern auch noch einige nicht unbedeutende Ländereien in der Gegend um Merseburg, die die gut betuchte Hatheburg „zufällig“ mit im Gepäck hatte. Ein Schelm ist, wer Böses dabei denkt....

Circa 2 Jahre später verdrehte Mathilde ihm den Kopf. War sie etwa jünger, reicher und schöner? Fest steht, dass sie zumindest ebenfalls große Gebiete in der Gegend um Engern in Westfalen besaß, so dass Heinrich sein Reich mit ihren Besitzungen strategisch klug erweitern konnte. Aber was macht man nun mit seiner eigentlichen Ehefrau? Man setzt die Regel, die man umgangen hatte, einfach wieder in Kraft und erklärte die Heirat selbst für nicht rechtens. Und so geschah es, dass Hatheburg von Heinrich zurück ins Kloster geschickt wurde, Heinrich seine Mathilde heiratete und obendrauf noch sein Reich nach Osten hin ausdehnen konnte.

Köpfchen muss man haben....

 

Heinrichs heimliche Herrscherin

„Hinter jedem erfolgreichen Mann steckt eine starke Frau“.... So lautet ein bekannter Ausspruch, der heute noch immer gern zitiert wird. Dass die Macht der Frauen jedoch bereits zu Zeiten von Heinrich I. – also Anfang des 10. Jahrhunderts – nicht zu unterschätzen war, überrascht dann aber doch. Heinrichs Frau Mathilde besaß eine Fähigkeit, auf die Heinrich als König zwingend angewiesen war. Nein, es war nicht das Kochen! Im Gegensatz zu ihrem Gemahl konnte Mathilde lesen und schreiben! Schriftsprache war damals Latein und dieses wurde in der Regel nur von Geistlichen beherrscht wie auch gelehrt. Schon in sehr jungen Jahren schickte man Mädchen aus
adeligem Hause zur Ausbildung und Erziehung ins Kloster oder in ein Stift. Dort lernten sie die Sprache und machten sich als zukünftige Frau eines Herzogs oder Königs unbewusst unentbehrlich. Heinrich war also Zeit seines Lebens auf eine Vertrauensperson, in seinem Fall seine Frau Mathilde, angewiesen. Sie las ihm Urkunden, Verträge oder Dokumente vor, die er als König zu unterzeichnen hatte. Natürlich lautet die logische Schlussfolgerung jetzt: Mathilde hätte ihm ja auch etwas ganz anderes vorlesen können als das, was da geschrieben stand. Aber manchmal genügt es, von seiner Überlegenheit nur zu wissen....

 

Friede, Freude, Hundekuchen

Zu einer der größten Pflichten des Königtums zählte es, den Frieden im Reich nach außen zu wahren. Das gelang Heinrichs Vorgängern nicht sehr gut und das Reich wurde immer wieder überfallen. Das Schreckensbild dieser Zeit waren die Ungarn. Sie plünderten Kirchen, raubten Gold und andere Schätze und hinterließen ein Feld der Verwüstung. Aber was machte sie so  furchteinflößend? Zum einen waren sie im Besitz von kleinen, wendigen Pferden und beherrschten diese per exellence. Außerdem hatten sie sehr feste und flexible Bögen. Die Waffen in Kombination mit den Pferden machten sie zu perfekten, beinahe unbezwingbaren Reiterkriegern. Die große Herausforderung Heinrichs war es nun also, die immer währende außenpolitische Bedrohung abzuwenden. Wie schaffte er es dennoch? Durch einen glücklichen Umstand gelang es ihm, den Sohn eines ungarischen
Anführers gefangen zu nehmen. Die Ungarn waren gezwungen mit Heinrich zu verhandeln. Der Deal lautete: „Wir garantieren dir einen 9-jährigen Waffenstillstand unter der Bedingung, dass du unseren Mann frei lässt und uns jährlich einen Betrag X zahlst.“ 
Man sieht, wer hier das Sagen hatte... Aber Heinrich willigte ein und nutzte die Zeit des Friedens, um Teile seines Adels gleichwohl in der berittenen Kampftechnik ausbilden zu lassen. Bei einigen kleineren Kämpfen im Reich konnte die Truppe ihr neu erworbenes
Können austesten und war dann bereit für die Ungarn.

Noch vor Ablauf des vereinbarten Waffenstillstands stellte Heinrich I. die jährlichen Zahlungen ein. Was passierte? Fest stand, die Ungarn würden angreifen, aber wo und wann? Hier bedient sich die Geschichte einer Anekdote, die vielleicht nicht zu einhundert
Prozent belegt ist, die jedoch plausibel klingt und sich gut erzählen lässt. Um den Angriff der Ungarn zu planen, lockte er sie in einen Hinterhalt: Er ließ über einen Boten eine Kiste schicken. Diese enthielt aber nicht die jährlichen Tributzahlungen, sondern einen toten,
übel riechenden Hund. Diese Provokation konnten die Ungarn natürlich nicht akzeptieren und fielen wenig später bei Riade, das Gebiet, von dem aus auch der Bote kam, in das Reich ein. Die neu ausgebildeten Reitertruppen Heinrichs warteten dort und bezwangen die Unbezwingbaren...

 

Zur richtigen Zeit am richtigen Ort: Warum der Tod von Heinrich I. einen Sinn hatte

Wir kennen es aus unserem eigenen Leben: Entscheidungen ziehen Ereignisse nach sich, Ereignisse Entscheidungen und am Ende hätte alles auch ganz anders laufen können, wenn nicht... Wagen wir ein Gedankenexperiment! Wenn Heinrich nicht in Quedlinburg bestattet worden wäre, hätte es die Stiftskirche nicht gegeben, hätte die Stadt Quedlinburg über die Herrschaftszeit von Heinrich hinaus niemals eine solche Bedeutung erlangt. Sie würde heute nicht zum Welterbe zählen und wir würden in diesem Jahr keine Jubiläen feiern. Also am Anfang war das Grab? So lautet der Titel der aktuellen Sonderausstellung in der Stiftskirche und er macht deutlich, wie wichtig die Bestattung Heinrichs in und somit für Quedlinburg war. Sein Grab, und später auch das seiner Gemahlin, zog tausende Pilger an, die an dieser Stelle für sie beteten und an ihrer gedachten. Pilger brachten gleichzeitig Geld in die Stadt und kurbelten dadurch die dortige Wirtschaft an. Quedlinburg wuchs und stand mehr und mehr in voller Blüte. (Das ist sogar auch im übertragenen Sinne wahr, denn nachdem das Damenstift – gegründet von Heinrichs Frau Mathilde – geschlossen wurde, betrieben die Gärtner des Stifts eigene Landwirtschaft und züchteten Saatgut, Kräuter und Nutzpflanzen. Später wurde die Stadt für ihr Saatgut weltweit bekannt.) Und so reiht sich ein Ereignis an das andere wie die einzelnen Glieder einer Kette, die nur zusammen ein hübsches Ganzes – und vielleicht auch einen Sinn ergeben.

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